Ernst Elster

Maler und Lithograph 1893 - 1964

Der Weg eines begnadeten Sehers

ErnstElster

Am 1. Oktober 1893 wurde Ernst Elster in Braunschweig geboren.

Wenn man dem Schaffen des Kunstmalers Ernst Elster nachspüren und sein Wesen und Werk erkennen und verstehen möchte, so muss man die Spuren an den Stätten seines schöpferischen Wirkens suchen.

Früh musste er sich den Weg zum Erfolg zäh erkämpfen, denn sein Vater war bereits gestorben, als er 14 Jahre alt war. Schon als Knabe war es sein sehnlichster Wunsch, Maler, nichts als Maler zu werden. Stipendien und erste kleine Bilderverkäufe verhalfen zum Besuch der Kunstgewerbeschulen in Magdeburg und Berlin.

Der 1. Weltkrieg sah ihn im Schützengraben, aber schon 1919 öffneten sich dem 26jährigen die Ausstellungshallen und Gemäldegalerien in Braunschweig. Einer ersten Schaffensperiode entstammen Bilder mit blauen, gelben und grünen Flammenkreisen um alle möglichen Menschen, Mächte und Erscheinungen.

Das Städtische Museum Braunschweig erwarb zwei Gemälde: „Portrait“ und „Inspiration“, sowie 16 Lithographien.

Endlich ging der langersehnte Wunsch in Erfüllung: Italien!

Ein Jahr lebte er in San-Gimigano, einer kleinen Ortschaft bei Florenz. Hier in der südlichen Landschaft, in der schwerelosen Heiterkeit, entstanden viele eindrucksvolle Bilder, die durch die Kühnheit ihrer Maltechnik verblüffen. Sie sind teils mit dem Pinsel, dem Farbmesser oder mit dem Finger gemalt und dennoch frei von sensationslüsterner Willkür.

Der Braunschweigische Staat kaufte von dem Heimgekehrten mehrere Gemälde. Jetzt konnte sich der Künstler endlich ein geräumiges Atelier auf dem Bohlweg mieten und wurde, noch nicht 40 Jahre alt, zum Vorsitzenden des Künstlerbundes Niedersachsen gewählt. 1929 bekam er den Auftrag von der Stadt Braunschweig, den ehemaligen Ministerpräsidenten Dr. Heinrich Jasper zu porträtieren. Dieses Gemälde, 1933 aus dem Braunschweiger Landesmuseum entfernt, wanderte in einen versteckten Winkel und überlebte dort alle politischen „Säuberungen“. Es ist das einzige „nach dem Leben“ gemalte Bildnis des 1945 im Konzentrationslager umgekommenen Ministerpräsidenten.

Jagdliche Passionen und die Liebe zur Niedersächsischen Moor- und Heidelandschaft führten ihn ins Isenhagener Land. Als er wegen Umbauplänen des Vermieters seine Braunschweiger Atelierräume aufgeben musste, zog er 1934 kurzerhand in Knesebeck’s „Friedrichsmühle“. Zugleich trat ein Wandel in den Lebensumständen durch die Vermählung mit seiner Frau Dorothea, geb. Kühl, ein.

Die Eindrücke, die der herbe Reiz seiner neuen Umgebung ihm übermittelte, waren überaus stark. Er schuf unermüdlich Porträts, Landschaften, Stillleben und Blumenstücke in seiner eigenen, wuchtigen Handschrift. Seine erste magisch-expressionistische Schaffensperiode wurde abgelöst von einer unnatürlich-impressionistischen. Die von ihm geschaffenen Motive wurden jetzt durch eigenes Erleben nach dem Wesenhaften gestaltet. Er schaute in die Landschaft hinein, um das Abbild seines eigenen Wesens zu finden. Aus den ursprünglich geplanten zwei Jahren auf Friedrichsmühle wurden acht.

In dieser Zeit wurden auch seine beiden Kinder geboren. Von 1942 bis 1948 lebte er mit seiner Familie in dem nahen Wunderbüttel, wo er die Schule, die wegen Kindermangel geschlossen wurde, nebst Lehrerhaus beziehen konnte. Die Landschaft um Wunderbüttel bedeutete Ernst Elster viel, denn diese prachtvollen Isewiesen mit ihrer Weite, dem Buschwerk und den oft unheimlichen, wachsenden Wasserflächen im Frühjahr, boten dem Künstler Motive in Überfülle. Moorlandschaften, Iseüberschwemmungen und wunderbare Porträts entstanden in dieser Zeit. 1942 erhielt sein Gemälde „Harkenmacher“ den ersten Preis bei einem Künstlerwettbewerb in Hannover.

Es war 1947, als er wiederum seinen Wohnsitz wechseln musste. Jetzt, nach dem Kriege wurde die Schule wieder geöffnet, denn es gab wieder viele Kinder durch den Flüchtlingsstrom nach dem Kriege. Aber wohin?

Immer, wenn Erst Elster nach Knesebeck fuhr, kam er an einer alten Windmühle vorbei und jedes Mal sah er vier Elstern um sie herumfliegen. War dies nicht ein gutes Omen? Es war eine Mühle ohne Müller und die Flügel drehten sich schon lange nicht mehr im Wind. Er suchte eine Wohnung, und plötzlich ging ihm ein Licht auf! Seine Frau hielt ihn zuerst für verrückt, als er ihr von dem Plan erzählte. Aus dem Plan wurde tatsächlich Wirklichkeit. „Maler, dat sinde Künstler, un Künstler dä hätt nu mol sone verrückten Ideen“, hieß es in Knesebeck, als der gebürtige Braunschweiger verlauten ließ, dass er mit Frau und den zwei Kindern wohl in die alte, seit Jahren fast gänzlich verwaiste Windmühle ziehen wolle.

Von der Mühle blieb nur die äußere Hülle. In dieser „Elstermühle“, einem der originellsten Wohnhäuser im weiten Umkreis, entstand so manche Idee und wurde auf die Leinwand gezaubert. Frei ging von hier aus sein Blick übers Land der Heide, die ihre Schönheit offenbarer machte, je höher er in das originelle Gebäude der alten Mühle emporstieg. „Ich habe hier alles“, sagte Ernst Elster, wenn er mit einer Geste aus einem der Fenster seines Ateliers zeigte. „Was ich zum Schaffen brauche, gutes Licht, den Blick in die Weite der Landschaft, deren Wesen ich in meinen Werken festzuhalten versuche, erschließt sich nur dem ganz, der in ihr lebt. Hier bin ich mitten drin in meinen Motiven, denn ich liebe besonders die unberührte Moorlandschaft und die stillen Heidewinkel“. In unabsehbarer Reihenfolge entstanden in seiner „typischen Handschrift“ Portäts, Charakterbilder, Studien aus der Knesebecker Landschaft und herrliche Blumenstücke. Aber er war nicht nur der Maler der Heide, säenden und schreitenden Bauern, der ungeheuer farbenprächtigen Blumenstücke und Porträts, oh nein, er war auch der Maler, der sich in seinen letzten Jahren auch mit seiner Zeit auseinandersetzte.

Nach einer 10-wöchigen Reise durch Frankreich, Spanien und Marokko mit zwei anderen Künstlerkollegen im Jahre 1957, entstanden viele farbstarke Werke, die die Leuchtkraft des sonnigen Südens wiederspiegeln. Diese Reise gab ihm Inspirationen zu seinen neuen Werken.

Mit selbsterfundenen Techniken versuchte er, in die abstrakt wirkenden Gemälde oder die visionären Darstellungen, die seiner Kunst der 20er Jahre ähnelten, die über- und unterirdischen Mächte, denen der Mensch ausgeliefert ist, zu erfassen.

1964 erhielt er das Verdienstkreuz am Bande des Niedersächsischen Verdienstordens. Im gleichen Jahre, am 11. August verstarb Ernst Elster an einem Herzleiden.

 

Inzwischen hängen unzählige Elster-Bilder in Museen, öffentlichen Gebäuden und privaten Sammlungen. Diese Werke sind nicht nur heimatkundlich wichtige Dokumente, sie legen auch Zeugnis ab, welchen wundervollen ursprünglichen Reiz unsere Gegend hatte und auch heute noch in sich birgt. Seine heimatverbundenen Werke sind zugleich eine Mahnung, die Natur zu schützen.

Mögen die Werke dieses begnadeten Sehers, der uns die Augen für die Eigenart und das geistige Gewicht unserer Heimat zu öffnen versuchte, hier besonders ihre bedeutenden inneren Werte, die Menschen der Gegenwart und Zukunft weiterhin erfreuen.

 

R. Ducrey-Elster